Sarah's Tagebuch zum Praktikum am Goethe-Institut in Santiago de Chile

 

Temazcal

                 

Buenos días!!!

Ich moechte Euch von meinem Wochenende berichten: Ich bin mit meiner WG nach Isla Negra gefahren. Das ist ein kleines Dorf ca. 1,5 Stunden von hier. John hat da mit ein paar Freunden ein Hostel - es heisst "Casa Azul" und ist wunderschön. Wir haben nachmittags im Garten gelegen; überall liefen Hunde rum. Ich habe es sehr genossen, einmal weg zu sein, von dem Smog in der Stadt und dem ständigen Hupen und den Bussen, die ja hier mit LKW-Motoren fahren und daher unglaublich laut und angsteinfloessend sind. Ich habe viel gelesen und die anderen haben Musik gemacht - natuerlich mit Trommeln.

John hat uns eingeladen, an diesem Wochenende mitzukommen, weil es da so ein Ritual gab, an dem wir teilnehmen konnten. Wir alle wussten nicht, was das ist, sind aber mitgegangen.

Wir sind einen kleinen Berg hochgegangen. Da waren schon einige Leute; es stand da ein riesiges Zelt und es brannte ein Feuer. Dann hat es wie hier üblich etwas gedauert, bis es losging und wir - das heisst so 15 Leute - standen etwas unschluessig rum.

Ricardo - der Typ, der alles inszeniert hat - hat dann angefangen, das Ritual zu erklären. Es handelte sich um eine Art Sauna. Das Zelt stellte dabei den Uterus dar, in den man zurueckgeschickt wurde, um sich danach gewissermaßen selbst neu zu gebären. Da habe ich dann ja schon gedacht "Oh mein Gott, was mache ich hier eigentlich?" Ich bin doch nicht so eine Spirituelle mit wallenden Gewändern, die in der Zeitung immer zuerst nach dem Horoskop guckt! Wir mussten alle vier Himmelsrichtungen anbeten, die Hände zum Himmel strecken und die Erde küssen. Ich konnte mir ein Lachen nur mit Mühe und Not verkneifen, weil auch die meisten anderen so super-ernst dabei waren. Das war also das Vorspiel und das hat schon 1 Stunde gedauert!

Dann sind wir alle in dieses Zelt gegangen und wieder wurde gebetet und "meditiert". Ich habe es zwar super-interessant gefunden, fühlte mich aber irgendwie falsch am Platz. Trotzdem war ich echt neugierig, was jetzt wohl weiter passieren wird.

Dann haben sie große Steine reingebracht und in die Mitte in eine Kuhle gelegt. Jeder Stein hatte einen Namen und man musste sie willkommen heissen und "Oh meteod" sagen! ich hätte ja fast geschrien!!!!!!! "Oh meteod"!!!! Zum Schluss kam ein Krug mit Wasser, den man natürlich auch ganz offiziell begruessen musste. Und dann musste sich jeder vorstellen und sagen, warum er denn heute hier ist. Und jeder, der mich kennt, weiß, wie ich sowas hasse! "Ich bin die Sarah und schon seit 2 Jahren trocken!" Manche haben dann ganz ernsthaft gesagt, dass sie SUCHENDE seien. Eine Frau hat ein deutsches Gedicht aufgesagt und mit "Amen" geschlossen.

Aber dann wurde alles ganz anders. Die Steine bewirkten, dass wir alle ziemlich am Schwitzen waren und dann meinte Ricardo, wir sollen jetzt alle "Ohhhhhhhhhmmmm" machen. Jeder aber so, wie er es will.

Und das warunglaublich. Man hat die Vibration der anderen Stimmen auf der Haut gespuert und sich immer mehr in so eine Art Rausch reingesteigert. Es war tatsächlich irgendwie befreiend!!!!!

Insgensamt gab es 4 Pforten, die man durchschreiten musste: Feuer, Erde, Luft und Wasser. Und jedesmal haben sie neue Steine in das Zelt gebracht und wir haben wieder gesungen oder auf unseren Körpern rumgetrommelt. Ein Lied ging ungefähr so:

Die Erde mein Körper,
Wasser mein Blut,
die Luft mein Atem
und die Erde mein Geist.

Das hat man dann in einem rhythmischen Gesang und natürlich auf Spanisch immer und immer wieder wiederholt und jeder hat irgendwie in seiner eigenen Tonlage gesungen. Klingt schrecklich - ich weiß - war aber trotzdem total geil!

Das ganze Ritual heißt übrigens Temazcal und hat 6 Stunden (!!!!!!!!!!!!!!!!!) gedauert.

Danach war ich echt fertig, weil man auch nix trinken sollte, weil das den Körper dann wieder verunreinigt hätte!

Abends haben wir dann gegrillt und bis spät in die Nacht am Feuer gesessen. Ich habe Wein getrunken, der mir unglaublicherweise geschmeckt hat und in der Nacht habe ich sehr sehr gut geschlafen.