"Für Dich soll's rote Rosen regnen ..."
Hildes Leben - erzählt aus der persönlichen Erinnerung ihrer Familie

1. Kindheit und Jugend

Hilde wurde am 23. Juni 1933 in Lübeck als ältestes von drei Kindern geboren. Ihre Eltern waren der Tischler Hans Sommer, geb. am 4. Januar 1903, und die Arbeiterin Olga Kohlmorgen, geb. am 9. November 1908.

Hilde wurde in einer Zeit geboren, in der es insbesondere den Vätern wichtig war, einen Stammhalter zu haben. Mit Sicherheit wird Hildes Geburt eine Enttäuschung für Hans Sommer gewesen sein. Sie war "nur" ein Mädchen. Eigentlich sollte sie "Inge" heißen, so zumindestens der Wunsch ihrer Mutter Olga. Als Hans vom Standesamt zurückkam, fragte ihn Olga, welchen Namen er nun hatte eintragen lassen, und da sagte er "Hilde" - den anderen hatte er wohl schon wieder vergessen.

Aber - das Schicksal geht mitunter seltsame Wege. Der Name "Inge" - abgeleitet von "ingen" - bedeutet im Schwedischen "kein, nichts". Hilde dagegen ist die Kurzform von Kämpfer oder Kämpferin, zu finden z.B. in
Hildegard: Altdeutsch, "hilta" = Kampf, Kämpfer / "gard" = Schutz, oder
Mathilda: Altdeutsch, "maht" = Macht / "hilta" = Kampf, Kämpfer.

Und Hilde war eine Kämpfernatur. Der Name Hilde passte genau. Mit diesem Vornamen machte auch eine Frau in Deutschland und Hollywood Karriere, die die gleichen Charakterzüge aufwies: eine schöne starke Kämpferin, die sich weder von Krankheit noch von Beziehungsfehlschlägen niederringen ließ, und die Hilde immer bewundert hatte: Hilde (Hildegard) Knef.

Und darum ist der Titel dieses Beitrags auch einem der schönsten Chansons von Hilde Knef entlehnt: "Für mich soll's rote Rosen regnen ...".

Doch erst einmal waren die Kämpfer- und Nehmerqualitäten von Klein-Hilde gefragt: Kurz nach ihrem dritten Geburtstag wurde ihr Bruder Hans (20. Juli 1936) und ein Jahr darauf ihre Schwester Ingrid (22. Juli 1937) geboren.

Hier sehen Sie Hilde und ihre Geschwister Anfang der 40er Jahre .

Hilde hatte es nicht leicht. Als Älteste musste sie sich oft um ihre Geschwister kümmern und ihrer Mutter helfen. Hans jr. - "de Sööhn" - war zudem der Liebling der Eltern. Der Vater war sehr streng, z.B. durften die Kinder bei Tisch nicht sprechen. Wenn Hilde voll mit Eindrücken aus der Schule zurückkam und es nur so aus ihr heraussprudelte, dann hieß es: "Dien Muhl geiht wie'n Entenmors !" Dein Mund geht wie ein Entenhintern! Und Vater Hans schlug mit Messer- oder Gabelrücken der kleinen Hilde auf die Hand, damit sie schwieg. Fragen, die Kinder nun mal stellen, wenn sie etwas aufgeschnappt haben, wurden bestraft. Jede Neugier wurde sofort unterdrückt ...

Hier sehen Sie Hilde und ihre Geschwister ungefähr um 1950 .

Herzliche Umarmungen oder anderer liebevoller Körperkontakt mit dem Vater ist Hilde nicht mehr gegenwärtig. Dafür ist die Erinnerung an körperliche Züchtigung auch nach mehr als 50 Jahren nicht verblasst.

Aber Vater Hans hatte auch seine guten Seiten. So sorgte er dafür, dass immer genug zu Essen da war. Jeden Tag ging er raus in die Knicks und auf die Äcker, um Grünzeug für sein Kleinvieh zu sammeln, Schlehen und Nüsse für die Familie zu pflücken oder ging auf dem Feld Kartoffeln, Wurzeln und andere Erntereste stoppeln. Und wenn es mal Fleisch gab, dann wurde jedes noch so kleine Teil mit den Kindern geteilt. Selbstverständlich war so etwas damals nicht.

Zu ihrer Mutter Olga hatte Hilde ein herzliches Verhältnis, insbesondere als sie selbst Mutter wurde. Doch davon später.

Obwohl beide Eltern zahlreiche Geschwister hatten, bestanden lange Jahre Kontakt nur zu Olgas Verwandten. Hans, der unehelich Geborene, hatte das Haus der Eltern "Auf dem Ruhm 3" übernommen, was zu einem Zerwürfnis unter den Geschwistern führte. So bestand zwischen Hans und seinen Brüdern lange Jahre feindselige Funkstille. Erst zur Goldenen Hochzeit von Hans und Olga im März 1980 haben sich die Brüder wieder versöhnt - zu spät für Hilde und ihre Familie, um noch engere Kontakte aufzubauen und aufrecht zu erhalten.

Die Familienkontakte beschränkten sich daher auf die Geschwister von Olga. Engen Kontakt hatte Hilde dabei zur Olgas jüngster Schwester Lisa, die nur wenige Jahre älter war als sie, und die sie mehr als Freundin denn als "Tante" erlebte.

Dann waren da noch Olgas Brüder, Hildes Onkel Bernhard, Heinz und Ewald Kohlmorgen.

Ewald war Kriegsgefangener in England; er blieb nach dem Krieg dort und heiratete eine Engländerin. Seine Besuche in Deutschland waren selten, aber das Verhältnis war herzlich, vor allem in den letzten Jahren, als er bereits verwitwet war.

Zu Bernhard war das Verhältnis ebenfalls gut, zu seiner Frau aber nicht immer. Doch über die Jahre hat sich vieles wieder eingerenkt. Und Bernhard war einmal da, als Hilfe gebraucht wurde. Auch davon unten mehr.

Zu Onkel Heinz und dessen Familie waren die Kontakte weniger eng. Ob dies einfach nur auf mangelndem gegenseitigen Interesse beruhte oder eher ein bewusstes Abstandhalten war - hier die höhere Schulbildung und geplante akademische Ausbildung, dort die Arbeiterfamilie, in der die Kinder nur die Volksschule besuchten -, wir wissen es nicht und werden es auch nicht mehr erfahren. Dies ist eine persönliche Chronik, nicht mehr.

Hilde muss diese Distanz doppelt bitter empfunden haben. Mit ihren schulischen Leistungen hatte sie sich durchaus für Höheres empfohlen. Doch der strenge Vater untersagte den Besuch einer weiterführenden Schule mit der Begründung, sie würde das nicht brauchen, da sie ja sowieso irgendwann heiraten und Kinder kriegen würde. Vermutlich steckte dahinter aber auch die Angst, ihr bei schulischen Problemen nicht helfen zu können, da Hans als einfacher Dorfjunge keine großartige Ausbildung genossen hatte.

Also musste Hilde nach Abschluß der Volksschule im Haushalt fremder Menschen arbeiten, damit sie den Eltern nicht länger auf der Tasche lag. Um mehr Geld zu verdienen, ging sie später als Arbeiterin in die Fabrik.

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