Die Russlandreise 2001

Nach überstandener schwerer Krankheit war in Wally der Wunsch gereift, das Grab seines Vaters zu sehen. Wo Friedrich begraben lag, hatte er im Januar 2001 über einen Suchauftrag beim Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge herausbekommen:

"Wir danken für Ihre Anfrage nach dem Grab Ihres Angehörigen. Hierzu geben wir Ihnen nachstehend eine Meldung bekannt, die aus den Unterlagen der Deutschen Dienststelle (ehemalige Wehrmachtsauskunftstelle), Berlin, erstellt wurde:

Name: Friedrich Zeschmar
Dienstgrad: Obergefreiter
geboren: 14.11.1906
Truppenteil: 11./Feld.R.d.W.Lw. 4
Erkennungsmarke: Flg.Horst Uetersen Ausb.Kp.838
Todestag: 04.03.1943
Todesort: Nowetschki-Nord
Grablage: Dunajewo, Soldatenfriedhof, Block B, Reihe 2 links, Grab 16

Ob die Gräber heute noch oberirdisch zu lokalisieren sind, ist uns bisher nicht bekannt. Unser Umbettungsdienst war noch nicht in diesem Gebiet tätig.
Zu Ihrer Orientierung erhalten Sie entsprechendes Kartenmaterial. Alle über Ihren Angehörigen vorliegenden Angaben sind hier erfaßt worden. Somit können wir Sie benachrichtigen, falls es dem VOLKSBUND im Rahmen seiner Umbettungsarbeiten gelingen sollte, das Grab zu finden bzw. ihn auf den deutschen Soldatenfriedhof Korpowo umzubetten.
In Korpowo, ca. 40 km südöstlich von Staraja Russa, baut der Volksbund einen Sammelfriedhof für die deutschen Soldaten, die im Gebiet Demjansk (Kessel von Demjansk) gefallen sind. ...
Die Einweihung der Kriegsgräberanlage ist für den 1.9.2001 geplant. ... Wir bedauern, Ihnen derzeit keine günstigere Auskunft geben zu können."

Rußland ist heute zwar nur zwei Flugstunden von Deutschland entfernt, aber immer noch eine andere Welt. Wie soll man ein Grab finden in einem Ort, der so klein ist, dass kein deutscher Weltatlas ihn verzeichnet? Und gibt es heute überhaupt noch diesen Friedhof, dieses Grab, von dem Wally nur das eine Foto mit den schlichten Holzkreuzen hatte?

Wallys Frau Hilde wusste von seinem Wunsch und setzte alles daran, ihm diesen zu seinem 70. Geburtstag zu erfüllen. Der VOLKSBUND bot eine Reise vom 29.8.-5.9.2001 mit Teilnahme an der Einweihung des deutschen Soldatenfriedhofs in Korpowo an. Die Route lautete: St. Petersburg - Nowgorod - Staraja Russa - Korpowo - Welikije Luki - St. Petersburg. Der Reiseveranstalter hatte bereits signalisiert, dass ein Besuch der Örtchens Dunajewo auf der Strecke Korpowo - Welikije Luki möglich sein würde.

Diese Reise wird Wally und Hilde unvergesslich bleiben. St. Petersburg mit dem Newski Prospekt, den Newabrücken, den Rostra-Säulen, der Isaakskathedrale und der Admiralität und - als besonderer Höhepunkt, die Besichtigung der Eremitage, eines der größten Kunstmuseen der Welt! Doch es standen auch andere Besuche an, die eher Trauer und Besinnlichkeit auslösten, z.B. Besuch des deutschen Soldatenfriedhof Sologubowka, die Einweihung des neuen Soldaten-Sammelfriedhofes in Korpowo , der Besuch des Soldatenfriedhofes Korostyn am Ilmensee oder eines kleinen Soldatenfriedhofes in Welikije Luki. Dieser war von einer Schulklasse vor Ort so schön (und unentgeltlich) gepflegt worden, dass die Teilnehmer der Reise spontan Geld sammelten und es - nach einigen Hürden - der Klassenlehrerin persönlich übergeben konnten.

Am Bewegendsten war die Einweihungsfeier des Friedhofes Korpowo . Nie hätte Wally gedacht, dass er hören würde, wie auf russischem Boden auf einem Soldatenfriedhof die deutsche Nationalhymne in Frieden und Freundschaft gesungen werden würde.

An dieser Stelle möchte Wally seinen ganz besonderen Dank an den Volksbund, namentlich an den Leiter des Umbettungsdienstes vor Ort, Herrn Uwe Lemke, aussprechen. Herr Lemke stellte uns seinen Wagen samt Fahrer Juri zur Verfügung. Damit war es Wally und seiner Begleitung möglich, getrennt von der übrigen Reisegruppe nach Dunajewo vorauszufahren und dort das Grab seines Vaters zu suchen. Mit Hilfe von Juri und der Dolmetscherin Natascha aus Nowgorod konnte Wally in Dunajewo ausmachen, wo früher einmal ein Soldatenfriedhof gewesen war.

Das Gebiet ist mittlerweile teilweise bebaut, die restliche Fläche ist Wiese. Juri befragte eine der Bewohnerinnen der Häuser, eine sehr alte Frau mit gutem Gedächtnis, und Natascha übersetzte es ins Deutsche. Die alte Frau berichtete, dass die Bewohner Dunajewos in der Nachkriegszeit die Flächen - politisch gewollt - umgenutzt hätten. Die Holzkreuze wären wohl als Brennmaterial verwendet worden. Aber sie konnte noch ungefähr die Abmessungen des ehemaligen Soldatenfriedhofes aufzeigen. Hier konnte Wally endlich in stillem Gedenken Abschied von seinem Vater nehmen, knapp sechzig Jahre, nachdem er ihn das letzte Mal lebend gesehen hatte .

Irgendwann werden die sterblichen Überreste der auf dem ehemaligen Soldatenfriedhof von Dunajewo ruhenden Soldaten auf den Soldatensammelfriedhof Korpowo umgebettet werden. Wally war bei dessen Einweihung dabei und weiß nun endlich, an welchem Ort sein Vater seine allerletzte Ruhe finden wird.

Hier können Sie ein ZIP-Archiv mit zwei Karten zur Lokalisierung von u.a. Cholm und Dunajewo herunterladen (ca. 3,5 MB; enthält 4 PDF-Dateien, jeweils obere und untere Kartenhälfte).