"Für Dich soll's rote Rosen regnen ..."
Hildes Leben - erzählt aus der persönlichen Erinnerung ihrer Familie

5. Moisling - Kiwittredder 8

Der Beginn des "wirtschaftlichen Aufstiegs" kann am Wechsel der Familie in eine größere Wohnung festgemacht werden. 1963 oder 1964 erhielt Familie Zeschmar eine 2 1/2 Zimmer-Sozialwohnung in Moisling, in einem Wohnblock im Kiwittredder 8.

Das erste Mal hatten die Kinder ein eigenes Zimmer, zusammen. Dieses war zwar so klein und schmal, dass der Ofen ausgebaut werden musste, damit alle unterkamen, aber wen störte das ?

Es gab ein Bad, leider ohne Fenster, aber mit eingebauter Badewanne und fließendem kalten und warmen Wasser. Und zur Wohnung gehörte ein Balkon! Luxus über Luxus ... Wir erinnern uns gerne an diese glückliche Zeit.

Als die Kinder etwas älter waren, ging Hilde kellnern, zuerst im "Moislinger Baum" gegenüber der Wohnung in der Hamburger Straße 4, später auch in anderen Kneipen. Mit diesem Zuverdienst konnte der Lebensstandard der Familie langsam gesteigert werden. Was Hilde noch viel wichtiger gewesen sein dürfte in der damaligen Zeit: sie kam wieder raus, kam unter Menschen, bekam Anerkennung, verdiente eigenes Geld, konnte zeigen, dass sie mehr konnte als Kochen, Waschen, Putzen, Kinderkriegen und Großziehen. Von ihrem selbst verdienten Geld kaufte sich Hilde damals die erste eigene Waschmaschine!

Und Wally kam wieder zurück nach Deutschland und fand nach Zeiten der Arbeitslosigkeit endlich hier wieder Arbeit! Es ging in allem bergauf. Irgendwann gab es dann auch den ersten Fernseher, neue Möbel für's Kinderzimmer - ein Schrankklappbett für Ingrid, die berühmten grün bezogenen Ausziehcouchen mit Bettkasten für Bianka und Bärbel, von denen eine heute noch im Gästezimmer im Haus "Auf dem Ruhm 3" steht -, Fahrräder für die Kinder, ...

In der Moislinger Sozialwohnung blieb die Familie knapp zehn Jahre. Hilde kannte zwar viele Mitbewohner, hatte jedoch nur wenig enge Kontakte. Die direkte Nachbarin war Ada Vahlendieck, eine frühere Schneiderin, die für die Kinder aus Stoff, den Hilde irgendwo günstig erstanden hatte, Kleider nähte. Es war die Zeit der Jacob-Sisters und der Kessler-Zwillinge. Darum waren die Kleider meistens gleich, und die drei Mädel sahen darin richtig "süß" aus - wie Drillinge. Die Mädel waren davon aber nicht gleichermaßen begeistert. Insbesondere Bianka, die älteste, war mit zunehmendem Alter höchst abgeneigt, mit ihren jüngeren Schwestern auf eine Stufe gestellt zu werden.

Im selben Wohnblock zwei Hauseingänge weiter wohnten Lore und Max Budig, die zwei Töchter hatten. Max war auch Musiker, und über die Musik und das Kellnern in der Kneipe kannten Wally und Hilde ihn und auch seine Frau. Aber von einer richtigen Freundschaft zwischen den beiden Frauen kann man eigentlich nicht sprechen.

Die Mädchen wuchsen heran, und bald hatte Bianka, die älteste, die vierte Klasse absolviert. Was nun ? Wally, der einen Realschulabschluß hatte, war - so die Erinnerung - für bestenfalls Realschule. Hilde aber, die sehr darunter gelitten hatte, dass ihr Vater sie, nur weil sie ein Mädchen war, nicht auf die höhere Schule gelassen hatte, setzte durch, dass ihre Töchter ihre Chance bekamen.

Bianka hatte das Zeug für den Besuch des Gymnasiums, bestand den Aufnahmetest und besuchte ab 1966 das Carl-Jacob-Burckhardt-Gymnasium in Lübeck. 1967 folgte Bärbel, 1969 Ingrid. Alle drei schlossen die Schule mit dem Abitur ab, Bianka 1975, Bärbel 1976 und Ingrid 1978. Das Abitur ist natürlich ein Verdienst ihrer eigenen Leistung an der Schule, aber die Chance, es zu machen, verdanken sie letztlich ihrer Mutter.

Hildes Mutter und Vater haben diese Schulabschlüsse ihrer Enkelinnen noch miterlebt, und beide waren stolz auf ihre erfolgreichen Enkeltöchter. Für Hilde aber dürfte jede Abiturfeier ein kleiner stiller Triumph gewesen sein .

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